Ich bin ja eher ein auditiver Mensch und nehme Geräusche um mich intensiver wahr. Es erscheint mir, als hätte Italien ein ganz eigene Geräuschkulisse.

Über das Hupen hatte ich ja bereits geschrieben und ihr müsst euch das wie ein Hintergrundrauschen vorstellen. Vorhanden, aber oft ausgeblendet.
Eine zweite Tonspur bilden quasi die Kirchenglocken. Dies ist mir gleich zu Beginn der Reise aufgefallen. Während ich in Deutschland das Läuten als etwas Mächtiges, Donnerndes, Gewaltiges erlebe mit den tiefen Tönen der großen Glocken mahnend das Geschick des Tages dankbar anzunehmen. Oft bedeutet dies für mich Heimat und ich liebe das Glockengeläut. In Italien ist das Geläut zur Messe oder auch das Stundengeläut eher ein Abbild der italienischen Mentalität. Es fehlen meist die tiefen Klänge. Dafür streiten sich die höheren Töne, um ihre Metrik. Es wirkt, als wollten sich die Glocken überholen, wetteifern, stolpernd und hüpfend den Tag begrüßend. Mein inneres Auge sieht Kinder hüpfend zur Kirche rennen, Frauen rufend und palierend in italienischer Theatralik durch das Dorf laufen. Heiter und gelassen, emotional und übersprudelnd zur gleichen Zeit. Auf jeden Fall der totale Gegensatz zum deutschen majestätischen, ernsten Geläut.

Egal wo man sich in Italien aufhält, das Meer ist nicht weit entfernt. Deshalb denke ich, dass das Meeresrauschen auch typisch für italienische Akustik ist. Leise plätschert es an sonnigen windstillen Tagen und umspielt den Strand. Oder braust heran, peitscht das Wasser donnernd gegen die Felsen. Warnend ja keinen Fuß in selbiges zu strecken.

Geräusche, die wir selbst erzeugen und nerven. Bei jedem Start des Campers ist es das gleiche. Nicht alle Schubladen sind gesichert. Unweigerlich öffnet sich eine Schublade in der ersten Kurve und kracht in den Gang. Angekündigt durch ein Scheppern, um dann im Fortissimo das Ende des Scharniers anzukündigen. Rrrratsch!!,,l Beim Losfahren haben wir mindestens eine Schublade nicht gesichert und das Spektakel ist garantiert…

Besonders beeindruckt in akustischer Form haben mich die Grillen. Also die Zikaden . Ist das jetzt das Gleiche? Oh weh…
Diese Zikaden im Süden schaffen, wofür renomierte Orchester lange üben müssen: ein perfektes Zusammenspiel. Alle zirpen im gleichen Rhythmus und verstärken ihren Sound dadurch. Und dann, plötzlich Stille. Wie abstellt, ausgeknipst, Stecker gezogen. Kein peinliches Dazwischengezirpe. Erstaunt schauen wir uns an. Plötzlich scheint es absolut still. Man lauscht, wartet, spitzt die Ohren. Wie abgesprochen danach ein Tutti- Einsatz für alle und minutenlanges Gezirpe auf Eins und Drei. Offbeat? Traut sich kein Insekt.

Kennt ihr das Percussioninstrument Macaras? Das sind südamerikanische Rasseln, die derart bewegt werden, dass die innenliegenden Bohnen in einem satten Klang gegen die bauchige Wand erklingen. Mein Vater hatte welche bei uns zuhause. Die spielte er in frühen Jahren in Orchestern neben dem Saxophon. Oft durfte ich versuchen, den Rhythmus mit den Maracas zu spielen. Das ist gar nicht einfach, meist hört es sich eher wie Linsen in der Schüssel an. Zikaden hier zirpen in solchem Gleichklang, dass ihr Werben tausendfach verstärkt, einem Maracs-Profi gut zu Gesicht stünde . Und dann, plötzlich ist Stille, kein einzelner, unpassender “Zirp“ mehr. Wer weiss, wie schwer es ist, einen definierten, satten Klang mit den Macaras zu erzeugen, wird die Leistung der Grillen, wie ich, hoch achten. Gibt es eine Notenschrift? Einen Dirigenten? Gibt es Bäume für erfahrene Zirper und welche für das Jugendorchester? Wer weiss…